Die Stollenanlage ist nur im Rahmen eines geführten Rundgangs zu besichtigen. Da die Temperaturen in der Stollenanlage ganzjährig bei circa 8°C liegen, sollte auch im Sommer angemessene, warme Kleidung getragen werden.
Zugangsstollen
Im Potsdamer Abkommen hatten sich die Alliierten 1945 auf eine Entmilitarisierung Deutschland und die Demontage der deutschen Rüstungsproduktion verständigt. Daher wurden 1947/48 die Eingänge zum Stollensystem durch die sowjetischen Militärbehörden gesprengt. In der Folge blieb die Untertageanlage über mehrere Jahrzehnte verschlossen, auch nach Gründung der „Mahn- und Gedenkstätte Mittelbau-Dora“ in den 1960er-Jahren.
Erst seit 1995 ist das Stollensystem durch einen neu angelegten Tunnel für Besucher:innen zugänglich. Dieser führt vom früheren Eingang des Fahrstollens B quer durch den Kohnstein in den Eingangsbereich des Fahrstollens A. Von dort aus können ein Teil des Stollens A sowie drei Querkammern besichtigt werden.
Stollenmodell
Am Beginn des historischen Fahrstollens illustriert ein Stahlmodell die Ausmaße und Entwicklung der Stollenanlage von einem Treibstoffepot für die Kriegsvorbereitungen der Wehrmacht zu einer unterirdischen Rüstungsfabrik. Deutlich wird dabei die Größe der Gesamtanlage, von der die Besuchenden nur einen sehr kleinen Teil begehen.
Erkennbar sind zudem die gigantomanischen Pläne der Nationalsozialist:innen, die Ende 1944 bereits in Bauzeichnungen umgesetzt wurden. Dies verdeutlicht die Realität des KZ Mittelbau-Dora als Baulager mit mörderischen Arbeitsbedingungen: Die weitaus meisten Häftlinge wurden nicht zur eigentlichen Arbeit in der Rüstungsproduktion eingesetzt, sondern zum fortgesetzten Bau immer neuer Untertageverlagerungsprojekte für die anvisierte künftige Rüstungsproduktion. Die meisten dieser Pläne blieben eine Wahnvorstellung, der tausendfache Tod der auf den Baustellen erschöpften Häftlinge aber war real.
Fahrstollen A
Die leiterförmige Anlage bestand aus zwei Fahrstollen und insgesamt 46 Querkammern, die seitlich von diesen abgingen. Die beiden Fahrstollen – Stollen A und B – durchliefen den gesamten Kohnstein von Nord nach Süd. In den beiden Stollen waren Eisenbahngleise verlegt, die noch heute am Boden sichtbar sind.
Der Zustand, wie er bei der Öffnung des Stollens vorgefunden wurde, ist so wenig wie möglich verändert worden. Zerstörte Werkseinrichtungen, Reste aus der Produktion und heruntergefallene Gesteinsbrocken liegen durcheinander. Ein Besuchersteg führt über die Trümmer und macht den Stollen begehbar. Im Bereich der Rampe, die auf den Steg führt, veranschaulichen ausgewählte Zitate und Zeichnungen ehemaliger Häftlinge schlaglichtartig die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Stollen.
Kammer 46
Als die ersten Häftlinge im August 1943 am Kohnstein eintrafen, existierte noch kein oberirdisches Barackenlager. Die Häftlinge waren stattdessen in vier Querkammern des unterirdischen Stollensystems untergebracht, von denen heute drei besichtigt werden können. In jedem dieser „Schlafstollen“ schliefen in der Anfangszeit des Lagers jeweils mehrere Tausend Häftlinge, die sich auf notdürftig eingebauten vierstöckigen Holzpritschen drängten. Eine Reproduktion des Holzschnitts, den der ehemalige Häftlings Dominik Černý nach 1945 angefertigt hat, zeigt am Eingang zu Kammer 46 die Situation in diesen völlig überfüllten Schlafkammern.
Insbesondere diese Anfangsphase des KZ-Außenlagers Dora mit mörderischen Lebens- und Arbeitsbedingungen prägte den Begriff von der „Hölle von Dora“, der sich später in den Erinnerungsberichten vieler Überlebender findet. In diesen Monaten starben an diesem Ort Tausende Häftlinge; es ist davon auszugehen, dass sich im Stollen auch sterbliche Überreste befinden. Erst im Frühsommer 1944 konnten die letzten Häftlinge in die mittlerweile fertigstellten Holzbaracken im oberirdischen Häftlingslager umziehen.
Büro für Zivilarbeiter:innen
Neben KZ-Häftlingen waren in den unterirdischen Rüstungsbetrieben auch zahlreiche zivile Angestellte der beteiligten Firmen tätig. Ingenieur:innen, Verwaltungkräfte und Facharbeiter:innen wurden in der Produktion der V-Waffen und beim Ausbau des Stollensystems eingesetzt, wo sie die Arbeit der Häftlinge anleiten sollten. Sie hatten ihre Büros in Baracken vor den Stolleneingängen oder in der Untertageanlage. Den ursprünglichen Planungen der Mittelwerk GmbH zufolge sollte das Verhältnis von Häftlingen zu deutschen Zivilarbeiter:innen bei acht zu eins liegen sollen. In der Praxis lag es lediglich bei etwa zwei zu eins, zu groß waren die Schwierigkeiten, die sich in der Produktion gezeigt hatten.
Viele Zivilangestellte verhielten sich den Häftlingen gegenüber indifferent, doch bei vermeintlichen Regelverstößen kam es auch zu Fällen der Selbstjustiz durch das Zivilpersonal. Mit der Zeit muss die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Häftlinge derart überhand genommen haben, dass sich die SS genötigt sah klarzustellen, dass die Bestrafung der Häftlinge in der Verwantwortung der Wachmannschaften lag.
Kammer 44
In der ersten Hälfte des Jahres 1944 zogen die Häftlinge nach und nach in das entstehende oberirdische Barackenlager um. Ab August 1944 wurden die vorherigen „Schlafstollen“ daher als Produktionsorte für die Flugbombe V1 genutzt. Auch hierfür mussten KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten. Die in den Produktionskommandos eingesetzten Häftlinge waren zuvor meist aufgrund ihrer technischen Fertigkeiten für die Arbeit in der Waffenfertigung selektiert worden. Zwar waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Produktionshäftlinge besser als für diejenigen in den Baukommandos, doch auch sie wurden Opfer von Krankheiten, Verletzungen, Erschöpfung und der Gewalt der Wachmannschaften und Zivilarbeiter:innen.
Die militärischen Erfolge der „Vergeltungswaffen“ V1 und V2 blieben überschaubar. Die von Reichsregierung und Wehmachtsführung erhoffte Kriegswende für das Deutsche Reich brachten sie nicht. Dennoch starben bei der Bombardierung von Städten wie London oder Antwerpen tausende Menschen.